5 – Vollgas

Samstag, der 19.2.2011
(von Horst-G. Lippold)

unser Team

Nachdem wir am ersten Tag den Beginn der Brunnenbauarbeiten an der Dorfschule begutachtet und das Vorgehen bei unserem Müllentsorgungsprojekt mit dem Gemeinderat abgestimmt hatten, sollte es heute definitiv mit der Müllentsorgung losgehen. Bei diesem Projekt sind zwei Teilaufgaben zu bewältigen:

– Einsammeln und Entsorgen der Abfälle, die aufgrund des Fehlens einer Müllentsorgung seit Bestehens des Dorfes vor ca. 10 Jahren „wild“ neben und unter die Stelzenhäuser „entsorgt“ werden,

– Installation von ausreichend vielen Abfallbehältern bzw. Mülltonnen für neue Abfälle, sowie deren geregelter und regelmäßiger Abtransport zu einer zentralen Sammelstelle; hier sollen die recyclingfähigen Anteile separiert und regelmäßig an Wertstoffhändler verkauft werden, wogegen die verbleibenden Textilien verbrannt und organische Abfälle kompostiert werden sollen.

Bewaffnet mit 50 großen Mülltüten, die wir am Vorabend eingekauft hatten, starteten wir morgens um acht Uhr an der am Dorfende gelegenen Schule auf beiden Straßenseiten mit dem Aufsammeln der Abfälle. Unterstützt haben uns mit großer Begeisterung die Kinder des Dorfes und abgesehen von den Mitgliedern des Gemeinderates auch einige Erwachsene.

Es stellte sich schnell heraus, dass der Müll entgegen unseren ursprünglichen Annahmen im wesentlichen aus Plastik besteht und nur hier und da von alten Textilien und Küchenabfällen durchsetzt ist. Wertstoffe wie Glas, Metall und Papier bzw. Pappe fanden wir dagegen äußerst selten, weil diese Materialien schon heute gerne von Recyclinghändlern eingekauft werden.

Eine zweite wesentliche Erkenntnis besteht darin, dass wir sowohl die Menge des Altmülls als auch den Aufwand zum Einsammeln dramatisch unterschätzt haben. Am Ende des zweiten Arbeitstages waren über 100 große Müllsäcke gefüllt und erst 10 von 328 Häusern bzw. Grundstücken (ca. 3% ) gesäubert. Wenn man diese Zahlen mit aller Vorsicht hochrechnet, liegen je nach Arbeitseinsatz 3 – 6 Monate Arbeit mit drei- bis viertausend Müllsäcken (je 20 – 30 kg) und 60 – 120 Tonnen Altmüll vor den Beteiligten.

Es stellte sich außerdem schnell heraus, dass der Müll z.T. sehr kleinteilig (z.B. Bonbonpapiere und Plastikfetzen) oder im Gestrüpp verfilzt oder z.T. halb in der Erde vergraben (nach Regenfällen) oder in den unteren Bereichen des Straßendammes in z.T. halbmeterhohen feuchten (und entsprechend widerlichen) Schichten vorliegt. In den Bereichen, wo die Fäkalien der Hausbewohner anfallen, ist das Mülleinsammeln kaum zumutbar.

Mit einer gewissen Ernüchterung haben wir bemerkt, dass sich das Engagement der Dorfbewohner eher mäßig gestaltete. Viele Menschen und insbesondere die Männer haben unsere Bemühungen eher lethargisch aus ihrer Hängematte beobachtet und uns zeitweise das Gefühl vermittelt, uns hier zum Clown zu machen im Bemühen, im Alleingang mit den Kindern ein Dorf vom Müll zu befreien. Das ist insofern schade, weil das Dorf bei entsprechendem Engagement der Bewohner trotz der enormen Altmüll-Bestände innerhalb von zwei bis drei Tagen zu reinigen wäre. Aber wir sind davon überzeugt, dass Meckern und Frust niemandem und im Gegenteil nur das Vorangehen mit gutem Vorbild hilft, auch wenn es an die persönlichen Grenzen geht.

Das Einsammeln des Mülls in die Müllsäcke fiel uns bei aller persönlichen Motivation wegen der gnadenlosen Sonne bei extremer Luftfeuchtigkeit und Temperaturen über 30°C zunehmend schwerer und wir waren froh, dass unser Vorrat von 50 Müllsäcken am Nachmittag irgendwann zu Ende ging.

Unsere kleinen und großen Helfer haben nach anfänglicher Verblüffung recht schnell erkannt, dass wir weder Blätter noch Kokosnuss-Schalen, sondern vor allem Kunststoff und sonstigen Zivilisationsmüll sammeln. Das hat uns nochmals verdeutlicht, dass bei den hiesigen Menschen trotz extrem hoher Kindersterblichkeit (ca. 8%!) jedwedes Bewusstsein über die mittelfristigen Konsequenzen ihres wild verklappten Mülls fehlt und dass dieses Wissen und das entsprechend umweltbewusste Handeln mit viel Geduld und Engagement vermittelt werden müssen.

Nach getaner Arbeit haben wir wiederum den Bürgermeister und die Mitglieder des Gemeinderates aufgesucht, um die Erkenntnisse des Tages und das weitere Vorgehen zu besprechen. Die Herren haben versprochen, die Dorfbewohner zu mehr Engagement zu animieren und uns ebenso wie Herr Chantol versichert, dass der heute eingeleitete Prozess zwar viel Zeit und Geduld mit den Menschen erfordern würde, dass sie aber vom Erfolg unseres gemeinsamen Projektes 100%ig überzeugt seien. Extrem wichtig ist dabei das Einbeziehen der Kinder als Träger der Zukunft, das die Lehrer nach Kräften in der Schule fördern wollen.

Das Gespräch fand in der alten Schulhütte statt, wo die Herren mit der Produktion der am Vortag bestellten ersten 20 Mülltonnen beschäftigt waren. Dies hat uns das beruhigende Gefühl vermittelt, dass die Beteiligten hinter unserem Projekt stehen und getroffene Absprachen im allgemeinen umgehend in die Tat umsetzen.

Im Idealfall sollte jedes der 328 Häuser eine Mülltonne im Materialwert von 6 -7 US-Dollar (4 – 5 Euro) erhalten, was eine Gesamtinvestition von ca. 2000 US-Dollar bzw. gut 1500 Euro bedeutet. Der Gemeinderat hat hierzu beschlossen, dass die Dorfbewohner nach dem Aufstellen der Mülltonnen Abfälle grundsätzlich in dieselben entsorgen und bei Verstößen ein symbolisches Bußgeld zahlen müssen.

Außerdem soll jeder Haushalt monatlich 1000 Riel (ca. 25 Dollar-Cent bzw. 20 Euro-Cent) zahlen soll, um zwei Erwachsene für den Mülltransport und zur Mülltrennung beschäftigen zu können. Wir haben also auch mit der Einführung von Grundbesitzabgaben in Preksromot Geschichte geschrieben.

Für den Mülltransport in der Trockenzeit haben wir darüber hinaus einen Müllkarren für 80 US-Dollar finanziert, der noch am Abend in der benachbarten Kreisstadt Dom Dek beschafft wurde. Den Kauf haben wir vor Ort beim „Karrenhändler“ gemeinsam mit dem sehr engagierten Lehrer, der gleichzeitig stellvertretender Bürgermeister ist, mit dem ersten reichlich verdienten Feierabendbier gegossen. Die Beschaffung des für den Mülltransport in der Regenzeit geplanten Bootes sollten wir laut Herrn Chantol auf den Juni verschieben.

Der Abend wurde wegen einer gewissen Müdigkeit bei allen Beteiligten nach einem leckeren kambodschanischen Essen und isotonischen Gerstensäften überraschend kurz.

Horst-G. Lippold

mit den Kindern
Müll ohne Ende

 

beim „Karrenhändler“
das Ergebnis der ersten Sammelaktionder erste Mülltransport
Bau der Mülltonnen
die ersten Mülltonnenund der nächste Müllsackbis zurErschöpfunggemeinsam mit den Kinderneigentlich eine Idylle
der erste Brunnen an der SchuleMüllabladeplatz

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Consent Management Platform von Real Cookie Banner